Ein ganz normaler Lauf in der Innsbrucker Nordkette

Es sollte ein ganz normaler, schöner langer Trail an der Nordkette von Innsbruck werden. Meine Freundin Luise aus Innsbruck, also mein Local, hatte sich bereits länger eine tolle Runde vorgenommen, die sie sich für einen gemeinsamen Trail mit mir aufgehoben hatte. Aber was heißt schon normal auf alpinen Trails?

Am Samstag beim IATF war noch spitzen Wetter und ab Sonntag hatte es mehr oder weniger 3 Tage lang durchgängig geregnet. Montag waren wir dem Ganzen noch durch einen kleinen Trip über den Brenner nach Südtirol entkommen – zum Glück leben wir noch in einem so freien Europa! – und ab heute, Mittwoch, sollte wieder besseres Wetter werden.
Beim Frühstück wurden wir bereits mit dem tatsächlichen Wetter konfrontiert: eine graue schleierhafte Wolkenschicht, die sich bis auf die Höhe unserer Trails herunterzog, so dass wir diese vom Frühstückstisch aus nicht begutachten konnten. So mixten wir die Isos, packten ein paar Riegel und die leichten Windjacken ein und rannten vom Zentrum Innsbrucks der Nordkette entgegen. Geplant waren ca. 34km und 1500m+.

Routenvorschläge zum Trailrunning in und um Innsbruck
Routenvorschläge zum Trailrunning in und um Innsbruck

Ein leichter Nieselregel begleitete uns von Anfang an, aber das bekommt man in den engen Wäldern der Nordkette und bei ausreichender Schweißproduktion ja gar nicht mit. Nach ca. 2 gemütlichen Einlaufkilometern auf der Straße ging es endlich bergan: anfangs auf etwas breiteren Wanderwegen, die sich dann zu sehr schmalen, wunderbaren Single-Trails verengten. In den Wäldern der Nordkette, die sich Nahe Innsbruck befinden, gibt es verschiedene Trail-Running Vorschläge für Touren von bis zu 20km, die sehr gut ausgechrieben sind. Das Trail-Running hat hier einfach einen ganz anderen Stellenwert. 🙂

Mit meinem Local Luise war ich aber glücklicherweise nicht auf diese Trails angewiesen und wir folgten einem Single-Trail, der uns ca. 900m+ durchgängig bergan führte: ein sehr interessanter Weg, der sich serpentinen-artig einen durchaus steilen Anstieg hinaufschlang. Und Luise hat sich diesen durchgängig und sehr kontinuierlich hochgearbeitet; sie läuft auch erst, so wie ich, seit ca. 2,5 Jahren und hier konnte ich ihr nun bestätigen, dass ich bei weitem nicht viele Läufer kenne, die das Ding durchgezogen hätten! Ganz starke Leistung!

Da schauen auch die Einheimischen nicht schlecht.
Da schauen auch die Einheimischen nicht schlecht.

Kurz nachdem wir die erste Alm passierten, erwarteten uns leicht beschneite Bäume: ein toller Anblick auf nur 1500müNN. Das war die erste Überraschung: so blieb uns durch die Kälte der Regen erspart und wir konnten einen leichten Schneefall genießen.

Wir liefen nun auf nur noch leicht ansteigenden oder horziontalen Wegen den nächsten Almen entgegen und die Schneedecke auf den Bäumen und teilweise auf den Wegen wurde immer dichter. So nahmen wir uns vor, dass wir noch bis zur letzten geplanten Alm laufen würden und dort entscheiden, ob wir den abschließenden Aufstieg zum Joch wagen sollten. Kurz vor der letzten Alm gab es für mich noch einen kleinen anspornenden Bergsprint auf eine Aussichtsplatform, von der durch die enge Wolkendecke kaum Aussicht zu genießen war; also schnell wieder bergab und Luise bei der nächsten Alm treffen, um zu besprechen, wie es weitergehen sollte. Diese traf ich hochmotiviert an – eventuell auch, weil wir gerade im Trockenen standen – und wir entschieden uns aufs Joch zu laufen, wählten aber unterschiedliche Wege: während Luise es auf der Direttissima versuchte, wollte ich noch eine benachbarte Bergspitze mitnehmen und von dort aufs Joch hinunterlaufen. Die Schneedecke wurde mit steigenden Höhenmetern allerdings so dicht, dass schon bald nicht mehr ans Rennen zu denken war und ich entschied mich den Gipfel unter diesen Bedingungen auszulassen. Das ist damit bereits mein zweiter Sack in diesem Jahr: Am Moucherotte in meiner zweit-Heimat Grenoble hatte ich mich Mitte März aus denselben Gründen nach einem steilen 400m+ Anstieg im Schnee bereits für den Rückzug entschieden. Wie geht’s denn nun auf möglichst direktem Wege zum Joch? Hmm.. ich erblickte eine Gams-Spur, die genau zum Joch führen sollte, konnte diese aber auch kaum rennen, da der Berg sehr steil zur Seite hin abfiel und der Schnee teilweise knietief war: eine sehr nervenaufreibende Querung also. Am Joch kam Luise mir bereits durch die Scharte entgegen und wir machten eine kleine Riegel-Pause auf dem höchsten Punkt des Trails, ca. 1800müNN.

Ist das noch funktionsgerechte Kleidung?
Ist das noch funktionsgerechte Kleidung?

Der Abstieg dieser bisher bereits sehr interessanten und herausfordernden Runde, sollte nun durch eine steile Schlucht ins Halltal gehen. Diese hatte durch ihre geographische Lage, im Gegensatz zum großen Rest der Nordkette, dieses Jahr noch nicht allzuviel Sonne abbekommen und so war hier sogar noch eine alte Schneeschicht unter dem Neuschnee der letzten Tage vorhanden und wir schlichen unsicheren Fußes auf den nicht wirklich erkennbaren Wegen bergab. Der Schnee war dann teilweise so tief, dass wir bis über die Knie einsanken: und das mit meinen kurzen Flatterhöschen 🙂

Was für ein Spaß und vor allem was für ein Abenteuer! Immer wieder rutschten wir aus und hatten den Hinweis für ein eventuell längeres Rutschen im Hinterkopf: auf den Bauch drehen und zum Liegestütz aufstellen!

Auf Wegsuche...
Auf Wegsuche…

Noch in einem sehr komplizierten Teil des Abstieges erspähten wir eine Scharte, in der wir wahrscheinlich gemütlicher hinunterlaufen konnten. Gesehen und hingelaufen, bestätigte sich genau das. Ich ließ Luise ein wenig Vorsprung und rannte den Berg hinter ihr so schnell wie möglich im Schnee bergab – ein geiles Gefühl und unglaublich viel Spaß! – bis ich schließlich auf ihrer Höhe in den seichten Schnee fiel.

Ballern!
Ballern!

Danach war die Hauptschwierigkeit vorbei und wir trabten auf wieder einmal hervorrangenden Single-Trails die Hall-Schlucht hinab. Beim Bergablaufen ist Luise noch etwas unsicherer als ich und so wartete ich entweder an markanten Punkten auf sie oder lief ihr etwas entgegen. Leider stürtze Luise mit dem Knie auf einen kleinen Fels und bekam, nachdem wir den Abstieg vollendet hatten, immer stärker werdende Knieprobleme. So beschlossen wir, dass es wohl das beste sei, wenn sie ab einem der nächsten Dörfer mit dem Bus zurückfährt. Dieses erreichten wir nach ca 28km und Luise begab sich zur Bushaltestelle. Damit hatte sie ihren bisher längsten Lauf absolviert und das in alpinem Gelände mit hoch-alpinen Bedingungen. Saustark!

Ich bin dann alleine weiter an der Nordkette entlang Richtung Innsbruck gerannt und erwartete kaum Steigungen bis Ende des Trails. Aber natürlich sollte es anders kommen und so musste ich noch mal ordentlich Körner an den Anstiegen auf den Single-Trails Richtung Innsbruck lassen. In bekanntem Gelände ging es dann endlich nur noch bergab und zurück in die Stadt hinein. Luise wartete dann bereits in der Wohnung von ihr und einem weiteren Freund von mir auf mich.

Nun greife ich noch mal die Anfangsplanung auf: ~34km und 1500m+. Mehr wollte ich meinem Körper auch nicht zumuten, da ich vom Wochenende bestimmt noch den IATF in den Beinen hatte und ich es mir am Montag natürlich auch nicht nehmen lassen konnte, nach dem Bouldern die Laufschuhe auszupacken und für ~750m+ einen Berg in Südtirol hinaufzulaufen. Auf der Uhr standen nun 39km, zu denen sich nach der Auswertung der GPS-Daten und dem Kartenabgleich 2200m+ gesellten. Wow, was für ein geiler Tag mit sehr herausforderden und spannenden Bedingungen.

In diesem Sinne: versucht jeden Lauf zu einem kleinen oder großen Abenteuer zu machen! Dazu braucht ihr keine Wettkämpfe, sondern einfach nur hinaus in die Natur zu laufen!

Und Martin: ich hoffe, du merkst langsam, was man verpasst, wenn man meine Ideen und Einladungen verschmäht! 😉

Bericht: Max Wiebicke

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